„Sollen sie doch teuren Glühwein kaufen, wenn sie kein günstiges Bier saufen dürfen“
Jusos Erfurt und DGB Jugend Erfurt positionieren sich gegen Alkoholverbotszonen in der Stadt
Am 10. Oktober ließ die Stadtverwaltung weitere Schilder mit dem Hinweis auf ein Alkoholverbot auf dem Erfurter Anger aufstellen. Diese Maßnahme reiht sich in eine Folge von Maßnahmen zur Kriminalisierung öffentlichen Alkoholkonsums in der Erfurter Innenstadt ein.
Nachdem 2012 ein generelles Alkoholverbot in der Stadt vom Thüringer Oberverwaltungsgericht gekippt wurde, wird versucht das Verbot nun schrittweise über temporäre und ortsgebundene Regelungen durchzusetzen. Als Grund nennt die Stadtverwaltung immer wieder die Wahrung des Kinder- und Jugendschutzes. Zum einen der Schutz von jungen Menschen vor alkoholisierten Personen zum anderen die Einhaltung des Jugendschutzes bei konsumierenden Jugendlichen. Die Alkoholverbotszonen wurden im Radius von 100 Metern zu von Jugendlichen frequentierten Plätzen und Einrichtungen.
Wir glauben Herrn Horn und Oberbürgermeister Bausewein geht es um etwas anderes. Nämlich um die Verdrängung und das unsichtbar Machen von Menschen, welche nicht in ihr Bild einer schönen Stadt passen. Dass es nicht um den Alkoholkonsum an sich geht, zeigt sich allein dadurch, dass er in den lokalen Gastronomiebetrieben weiterhin erlaubt ist. Wer also über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, kann dort – auch in der Außengastronomie auf dem Anger – Alkohol genießen oder eben missbrauchen. Der vermeintliche Schutz von Besucher:innen des örtlichen Familienzentrums vor alkoholisierten Menschen verkommt spätestens seit der heutigen Eröffnung des Weihnachtsmarktes mit seinen Glühweinständen vollends zu einer Farce.
Die Verbotszonen führen nicht zu einem Schutz der jungen Menschen und Familien, welche Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe besuchen wollen. Personen, welche Besucher:innen der Einrichtungen stören, können und sollen durch einen Platzverweis durch die Polizei oder das Ordnungsamt vom entsprechenden Ort verwiesen werden. Eine weitere, deutlich weniger übergriffige Maßnahme, ist z.B. das Versetzen der Bänke, die in unmittelbarer Nähe zum Eingangsbereich des Familienzentrum stehen.
Auch konsumierende Jugendliche – wie bspw. in der Meienbergstraße – werden lediglich aus der Öffentlichkeit in Nebenstraßen vertrieben und damit unsichtbar gemacht. Der Missbrauch von alkoholischen Getränken durch Jugendliche verschwindet daher – wenn überhaupt – lediglich von der Bildfläche. Suchtgefährdeten junge Menschen, aber auch Erwachsenen, hilft man nicht mit Verboten, sondern mit Präventionsmaßnahmen und konkreten Angeboten zur Suchthilfe. Diese Aufgabe können nicht primär Polizei und Ordnungsamt übernehmen. Vielmehr findet Suchtprävention und -hilfe in einem vielschichtigen Netzwerk verschiedener Einrichtungen der Jugendhilfe, in Familie und Schule und der Stadtteilarbeit statt. Seit langem fordert unter anderem der Stadtjugendring Erfurt Präventionsangebote an Schulen. Auch vermehrte Testkäufe durch Minderjährige an den lokalen Alkoholverkaufsstellen können Teil eines vernünftigen Jugendschutzkonzeptes sein.
Statt einer unüberlegten Scheinlösung, welche Menschen aus prekären und nicht vermögenden Verhältnissen aus der Innenstadt verdrängt und sie in ihrer Freiheit einschränkt, fordern wir eine ganzheitliche Lösungsstrategie, welche vor allem präventive Maßnahmen in den Blick nimmt.